Auch Menschen mit einer schweren Gehbehinderung aufgrund von Multipler Sklerose (MS) steht das Recht zum Parken auf einem Behindertenplatz zu. Das hat das Sozialgericht Stade in einem rechtskräftig gewordenen Urteil entschieden. Durch den Verzicht auf überflüssiges Gehen könnten MS-Kranke eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes hinauszögern, erklärte ein Gerichtssprecher am Freitag. Darum sei der Nachteilsausgleich außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) für diesen Personenkreis gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall gaben die Richter einer 41-jährigen Frau aus dem Kreis Cuxhaven Recht, die trotz ihrer schweren MS-Erkrankung ihren Haushalt mit Ehemann und Sohn versorgt. Nach mehreren Krankheitsschüben fällt ihr das Gehen schwer. Nicht einmal 200 Meter schafft sie mehr am Stück, immer um Gleichgewicht bemüht. Dennoch verweigerte ihr das Landesversorgungsamt die Kennzeichnung «aG», die das Parken auch auf Behindertenplätzen erlaubt. Als Vergleichsmaßstab zog das Amt das Schicksal der Doppelunterschenkelamputierten heran. Nach Angaben des Gerichts ist am 1. Juli 2001 an die Stelle des alten Schwerbehindertengesetzes das Sozialgesetzbuch IX getreten, das im Paragraphen 1 eine ganz neue Zielrichtung formuliere. Danach sei in der Rechtsprechung auch eine drohende Verschlechterung der Gesundheit zu beachten. Ferner müsse den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen Rechnung getragen werden. Das Merkmal «aG» sorge mit dafür, daß die MS-Kranke in ihrer «gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft» gefördert werde. Das sei Ziel des Gesetzgebers.
Juni
15
Comments are closed.