Rehabilitation

Die Rehabilitation

Nach der durchgeführten Amputation heißt es, buchstäblich wieder auf die Beine zu kommen. Hierzu dient der Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik. Dort lernt der Patient den Umgang mit der Prothese.  Hierzu steht  ihm ein speziell ausgebildetes Rehabilitationsteam zur Seite.

Sie haben Anspruch auf eine Rehabilitation

Sie haben Anspruch auf eine Rehabilitation, die in der Regel als Anschlussrehabilitation unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt stationär durchgeführt wird.

Die Rehabilitation in einer hierfür spezialisierten Klinik dauert meistens drei Wochen, kann in medizinisch begründeten Fällen aber auch verlängert werden. Gesetzlich Krankenversicherte müssen für die Zeit in der Rehabilitationsklinik derzeit einen Eigenanteil von 10,00 € pro Tag zahlen. Für die Anschlussrehabilitation gilt, dass die gesetzliche Zuzahlung nur für maximal 28 Tage pro Kalenderjahr geleistet werden muss, wobei die Zeit des Krankenhausaufenthaltes mitgezählt wird.

Nachdem der behandelnde Arzt oder der Sozialdienst des Krankenhauses, in dem die Amputation durchgeführt wurde, einen Antrag auf Rehabilitation gestellt hat, wählt der Kostenträger – in der Regel die Krankenkasse, in bestimmten Fällen aber auch die Berufsgenossenschaft oder die Rentenversicherung – die Rehabilitationsklinik aus. Dabei ist meist das wichtigste Auswahlkriterium, dass die Klinik möglichst nahe am Wohnort des Patienten liegt. Die Patienten haben jedoch ein Wahlrecht, d.h. sie können auf die Auswahl der Rehaeinrichtung Einfluss nehmen.

In der stationären Rehabilitation lernt der Patient, mit der Prothese umzugehen und diese selbstständig an- und auszuziehen. Die Pflege von Stumpf und Prothese gehört ebenfalls dazu. Besonders wichtig ist das Gehtraining mit der Prothese. Hierzu gibt es in der Rehaklinik verschiedene Trainingsmöglichkeiten auf unterschiedlichen Böden und Flächen. Hier werden auch alltägliche Situationen trainiert wie das Überwinden von Hindernissen.

Ergreifen Sie selber die Initiative und informieren Sie sich im Vorfeld darüber, welche Kliniken über ausreichend Erfahrung in der Rehabilitation Beinamputierter verfügen. Setzen Sie sich mit Ihrer Krankenkasse in Verbindung und schlagen Sie dem dortigen  Sachbearbeiter die Klinik vor, die Sie für geeignet halten.

Rehabilitationsziele

Oberstes Ziel jeder Rehabilitation ist es, für den Patienten die bestmögliche gesundheitliche, berufliche, familiäre und soziale Wiedereingliederung zu erreichen.

Dies hängt wesentlich von der körperlichen und geistigen Situation jedes einzelnen Amputierten ab. Die konkreten Rehabilitationsziele können daher von Patient zu Patient variieren.

Viele Faktoren spielen bei der Wiedereingliederung in den Alltag eine wichtige Rolle, z.B.:

• Amputationshöhe,
• Amputationsursache (z.B. Trauma, Krebserkrankung),
• beidseitige Amputation,
• physischer Allgemeinzustand (z.B. Pflegebedürftigkeit, eingeschränkte Funktion der Sinnesorgane, neurologische Erkrankungen),
• Begleiterkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, arterielle Verschlusskrankheit, Asthma),
• Motivation des Patienten,
• psychische Erkrankungen (z.B. Depression, Angst) sowie
• soziale Faktoren (z.B. familiäres Umfeld, Wohnumfeld).

Die erste Aufgabe des Teams in der Rehaklinik ist es, anhand dieser Faktoren das Rehabilitationspotenzial festzustellen und gemeinsam mit dem Patienten und unter Berücksichtigung seiner Wünsche und Lebensumstände die Rehabilitationsziele festzulegen.

Ablauf der Rehabilitation

Die Rehabilitation verläuft in einer auf die Rehabilitation Beinamputierter spezialisierten Klinik in der Regel nach dem hier beschriebenen Konzept. Der Übergang von Stufe zu Stufe ist  dabei fließend.

Phase 1

• Schaffung stabiler körperlicher Voraussetzungen
• Stumpfbehandlung: Abhärtung, Bandagierung, Stumpfformung und Lymphdrainage
• Anpassung einer bedarfsgerechten Prothese (vorläufige bzw. Interimsprothese)

Phase 2

• Intensive Gangschulung mit Prothese
• Verlängerung der eigenständigen Gehstrecke
• Verlängerung der täglichen Tragedauer
• Optimierung der prothetischen Versorgung
• Einzel- und Gruppengespräche

Phase 3

• Ganganalyse
• Einübung von Alltagsbewegungen (Treppensteigen, Sturz- und Aufstehübungen, Überwinden von Hindernissen, selbstständiges An- und Ausziehen der Prothese)
• Herstellung der größtmöglichen Selbstständigkeit
• Einleiten einer behindertengerechten Anpassung des Wohn- und Arbeitsumfeldes

Die Dauer der einzelnen Phasen sowie der stationären Rehabilitation insgesamt, der genaue Ablauf, die Intensität der einzelnen Trainingseinheiten und die Schwerpunkte richten sich immer nach den individuellen Voraussetzungen des jeweiligen Patienten. Neben den körperlichen Voraussetzungen ist es vor allem die Motivation, den Alltag auch mit Prothese zu meistern, die zu einem erfolgreichen Abschluss der Rehabilitation beiträgt und für eine rasche Selbstständigkeit sorgt.

Jede Amputation ist ein tiefer Einschnitt in das bisherige Leben und die persönliche Mobilität. Umso wichtiger ist, dass Sie die Amputation nicht nur als Verlust ansehen, sondern auch als Chance erkennen für einen neuen Lebensabschnitt. Diese  Einstellung hilft, die ersten schweren Wochen nach der Operation zu meistern und den Weg zurück in ein selbstständiges Leben zu finden.

Quelle:
eurocom – European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices
www.eurocom-info.de

Das Reha-Team

An der Rehabilitation sind viele Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen beteiligt, die zu ihrem Gelingen beitragen:

Die Gesamtverantwortung für den Rehabilitationsprozess inklusive der Behandlung von Wundheilungsstörungen und der Schmerztherapie liegt bei einem Arzt, der in der Regel Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation oder Orthopäde ist.

Der stationäre Pflegedienst kümmert sich um die Pflege der Wunde und des
Stumpfes. Er ist für die Reduzierung des Wundödems durch Kompressionsstrümpfe, Silikonliner oder durch das Wickeln des Stumpfes zuständig und trainiert mit dem Patienten, oft in Zusammenarbeit mit der Ergotherapie, wie die Prothese an- und ausgezogen und der Liner korrekt angewendet wird.

Der Physiotherapeut  ist an allen Phasen des Rehabilitationsprozesses beteiligt.  Während es am Anfang hauptsächlich darum geht, das entstandene Stumpfödem zu reduzieren, die Durchblutung zu fördern, die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten, den Stumpf vorzubereiten, abzuhärten und zu formen sowie erste Stehund Gehtrainings durchzuführen, wird sich in der stationären Rehabilitation vor allem dem Prothesentraining gewidmet. Einer der Schwerpunkte dabei ist die Prothesengehschule.

Aufgabe des  Orthopädietechnikers ist es, die Prothese in enger Abstimmung mit den anderen Mitgliedern des Rehateams herzustellen und anzupassen, den Patienten in die Nutzung einzuweisen, Nachpassungen vorzunehmen sowie die Prothese und ihre Passteile halbjährlich zu warten.

Ergotherapeuten unterstützen den Patienten dabei, die Aktivitäten des täglichen Lebens zu verbessern. Sie beraten bei der Verordnung und Anwendung der PflegehilfsmitTelefon: Außerdem leisten sie Hilfestellung für die Angehörigen und bereiten die Rückkehr nach Hause vor.

Da eine Amputation für den Betroffenen oft mit psychischen Belastungen einhergeht, gehört auch ein Psychologe zum Rehabilitationsteam. Er unterstützt  den Amputierten dabei, mit der neuen Situation besser umgehen zu lernen.

Als sinnvoll hat es sich zudem erwiesen, die Rehabilitation um Angebote aus der Sport- und physikalischen Therapie zu ergänzen. In der physikalischen Therapie geht es hauptsächlich darum, den Stumpf abzuhärten, die Durchblutung des Stumpfes zu fördern und als begleitende Therapie Phantomschmerzen zu lindern. Der Sporttherapeut hingegen unterstützt den Patienten beim Kraft- und  Kreislauftraining und führt ihn an prothesengeeignete Sportarten heran.

Neben diesen werden bei Bedarf noch weitere Fachdisziplinen in den Rehabilitationsprozess einbezogen. Hierzu gehören vor allem der weiterbehandelnde  Hausarzt, Mitarbeiter des  Sozialdienstes und die Berufsberater, über die die berufliche Wiedereingliederung organisiert wird.

Quelle:
eurocom – European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices
www.eurocom-info.de

Wie und wo bekommt der Amputierte seine Prothese

In den nachfolgenden Abschnitten informieren wir darüber, wie und wo der Amputierte seine Prothese bekommt, welche Prothese die richtige für ihn ist und welche Ansprüche Amputierte gegenüber ihrer Krankenversicherung haben.Ablauf der ProthesenversorgungDirekt nach der Amputation ist der Stumpf in der Regel geschwollen und kann noch nicht voll belastet werden. Die Operationswunde ist zudem noch nicht verheilt. Bevor mit der Prothesenversorgung begonnen werden kann, muss der Stumpf zunächst vorbereitet werden und die Wunde abheilen.Bereits im Krankenhaus wird damit begonnen, den Stumpf mit Kompressionsbandagen zu umwickeln oder so genannte Post-OP-Liner zu verwenden, um dem entstandenen Ödem entgegen zu wirken. Diese Kompressionsbehandlung, bei der im weiteren Verlauf auf spezielle Stumpfstrümpfe gewechselt wird, wird auch in der stationären Rehabilitation fortgesetzt. Außerdem wird der Stumpf vorsichtig „abgehärtet“, d.h. auf die neue Belastungssituation in der Prothese vorbereitet.

Da sich der Stumpf in der Anfangsphase nach der Operation noch verändert, würde eine zu frühe Prothesenversorgung dazu führen, dass der Schaft permanent neu angepasst werden müsste. Ist die Wundheilung bgeschlossen, wird daher zunächst eine  Interimsprothese angefertigt, die der Frühmobilisation und der weiteren Reduzierung des Stumpfödems dient. Da frisch Amputierte ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis haben, müssen die Passteile dieser ersten Prothese sorgfältig ausgewählt werden.

Wenn der Stumpf seine Form und Festigkeit gefunden hat, was ungefähr nach drei bis sechs Monaten der Fall ist, wird mit der Anpassung einer so genannten  Definitivprothese begonnen. Diese Prothese zeichnet sich durch eine individuelle Passform sowie einen sorgfältigen statischen und dynamischen Aufbau aus. Bevor eine dem Patienten angepasste Prothese jedoch ihre definitive Gestalt erhält, wird nach der Maßabnahme zunächst eine Prothese für den Zustand der Anprobe gebaut, um gegebenenfalls kleinere Änderungen und Nachpassarbeiten durchführen zu können.

Auswahl der richtigen Prothese – die Sache mit den Mobilitätsgraden

Heutzutage stehen für die Versorgung von Beinamputierten eine Vielzahl unterschiedlicher Schaftformen, Schafttechniken und Passteile zur Verfügung. Das macht es einerseits leichter, für jeden Betroffenen die richtige Prothese anzufertigen, andererseits aber auch wieder schwerer, aus dem großen Angebot das jeweils richtige Passteil auszuwählen.

Grundsätzlich gilt: Die beste Prothese gibt es nicht. Was dem einen ausreichend  Sicherheit verschafft, behindert den anderen Prothesenträger in seiner Mobilität. Auch ist es nicht immer das technisch ausgereifteste und neueste Teil, das die optimale Versorgung gewährleistet.

Um dem verordnenden Arzt und dem Orthopädietechniker, der für den Bau der Prothese zuständig ist, eine Orientierung für die Auswahl und Zusammenstellung der richtigen Prothese an die Hand zu geben, wurden fünf so genannte Mobilitätsgrade entwickelt, in die jeder Amputierte mit Hilfe eines Profilerhebungsbogens eingruppiert wird.

Mit dem  Profilerhebungsbogen werden beispielsweise neben der Krankengeschichte Fragen zum aktuellen Gesundheitszustand und zu den derzeitigen Fähigkeiten, zum sozialen Umfeld des Patienten und den zu erwartenden Fähigkeiten gestellt. Dazu gehört unter anderem, ob der Patient in der Lage ist, alleine öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, Alltagshindernisse zu überwinden, eine Familie zu versorgen oder ob er einem Beruf nachgeht.

Die Mobilitätsgrade beschreiben das Therapieziel unter Berücksichtigung der aktuellen und der zu erwartenden Fähigkeiten des Patienten. Da sich diese im Laufe der Zeit verändern können, ist die Eingruppierung nicht für immer festgeschrieben, sondern sollte regelmäßig überprüft werden. Die Mobilitätsgrade dienen als Orientierung für die Prothesenauswahl. Im Mittelpunkt muss aber immer der jeweilige Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen stehen.

Wir empfehlen Ihnen, sich mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Prothesenversorgung auseinanderzusetzen und in enger Absprache mit Ihrem Arzt und dem Orthopädietechniker unterschiedliche Passteile auszuprobieren und die für Sie geeigneten auszuwählen.

Mobilitätsgrade

Mobilitätsgrad 0: Nicht gehfähig

Der Patient besitzt aufgrund des schlechten psychischen und physischen Zustandes selbst mit fremder Hilfe nicht die Fähigkeit, sich mit einer Prothese fortzubewegen oder sie zum Transfer (z.B. vom Bett in den Rollstuhl) zu nutzen.

Therapieziel: nur kosmetische Versorgung

Mobilitätsgrad 1: Innenbereichsgeher

Langsame, gleichmäßige Geschwindigkeit, ebenes Terrain, teilweise auf Hilfe angewiesen, evtl. Gehhilfen.

Therapieziel: Sie sollten mit ihrer Prothese sicher stehen und in Innenbereichen kleinere Strecken von kurzer Dauer zurücklegen können.

Mobilitätsgrad 2: Eingeschränkter Außenbereichsgeher

Gleichmäßige Geschwindigkeit, vorwiegend ebenes Terrain, aber auch kleinere Hindernisse (z.B. Bordsteine), selbstständiges Handling.

Therapieziel: Kleinere Strecken von kurzer Dauer können Sie sowohl im Innen- als auch im Außenbereich sicher zurücklegen.

Mobilitätsgrad 3: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher

Variable Geschwindigkeit, wechselndes Terrain, höhere Beanspruchung.

Therapieziel: Sowohl draußen als auch drinnen unterscheidet Sie Ihre Mobilität nur unwesentlich von einem Nichtamputierten.

Mobilitätsgrad 4: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher mit besonders        hohen Ansprüchen

Variable Geschwindigkeit, wechselndes Terrain, höchste Beanspruchung (z.B. durch Sport).

Therapieziel: Die Wiederherstellung der unlimitierten Gehfähigkeit sowohl im Innen- als auch im Außenbereich.

Die Verordnung der Prothese

Sie haben Anspruch auf eine Krankenbehandlung. Dazu zählt auch die Versorgung mit so genannten medizinischen Hilfsmitteln, zu denen die Prothesen gehören.

Im Sozialgesetzbuch V (SGB V), in dem unter anderem geregelt ist, welche Leistungen die gesetzlichen Krankenkassen zu erbringen haben, heißt es in § 33 Abs. 1 Satz 1: „Versicherte haben Anspruch u. a. auf Versorgung mit Körperersatzstücken und orthopädischen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.“

Der behandelnde Arzt ist für die  Verordnung der Prothese zuständig. Dabei sollte er auf dem Rezept schon möglichst genau angeben, welche Prothese, vor allem welche Passteile der Patient bekommen sollte und warum. Der Arzt hat so den Versorgungsbedarf dokumentiert. Außerdem muss die Krankenkasse ihre Versicherten entsprechend versorgen, sofern die ärztliche  Verordnung nicht unwirtschaftlich ist.

Die praktische Versorgung nimmt ein Orthopädietechniker in einem Sanitätshaus vor. Dieser sollte über viel Erfahrung in der Versorgung von Beinamputierten verfügen, sich mit den gängigen Schafttechniken und Passteilen auskennen, den Amputierten ausführlich beraten und ihm ermöglichen, unterschiedliche Prothesenbauteile zu testen. Entsteht dem Amputierten durch eine Fehlversorgung oder die Auswahl falscher Passteile ein Schaden, haftet das Sanitätshaus und muss gegebenenfalls Schadensersatz leisten.

Der Orthopädietechniker erstellt auf Grundlage der Verordnung des Arztes und des Profilerhebungsbogens einen Kostenvoranschlag für die Prothese, der zur Genehmigung an die zuständige Krankenkasse gesandt wird.

Der Patient hat einen Rechtsanspruch auf eine dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Prothesenversorgung. Die Rechtsprechung hat mittlerweile in einer Vielzahl von Urteilen festgestellt, dass die verloren gegangene Körperfunktion „im Sinne eines Gleichziehens mit einem gesunden Menschen“ wieder herzustellen ist. Insbesondere darf eine Versorgung nicht allein aufgrund eines hohen Preises abgelehnt werden. Es gibt nämlich keine Kosten-Nutzen-Rechnung für eine Prothesenversorgung. „Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen“, so das Bundessozialgericht. Dennoch gibt es Fälle, in denen die Krankenkasse die beantragte Versorgung ablehnt, nachdem der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine Beurteilung anhand der medizinischen Voraussetzungen des Patienten gegeben hat. Es ist empfehlenswert, in einem solchen Fall Widerspruch einzulegen.

Sollte der Widerspruch erfolglos sein und die Krankenkasse erneut ablehnen, kann Klage beim zuständigen Sozialgericht eingereicht werden. Auch hier gilt eine Frist von einem Monat. Die Chancen, über diesen Weg an das optimale Hilfsmittel zu gelangen, sind meist relativ groß. Das Klageverfahren vor den Sozialgerichten ist kostenfrei. Selbst ein vom Gericht beauftragter Gutachter muss vom Versicherten nicht bezahlt werden. Die einzigen Kosten, die entstehen können, sind die eines Anwalts. Vor den Sozialgerichten herrscht aber kein Anwaltszwang, d.h. dass sich der Amputierte auch selbst vertreten kann.

Ein Rechtsverhältnis besteht nur zwischen Patient und Kostenträger (z.B. Krankenkasse, Berufsgenossenschaft). Daher muss der Widerspruch von Ihnen eingelegt werden. Die Frist, innerhalb derer der Widerspruch erfolgen muss, beträgt grundsätzlich einen Monat. Enthält der Ablehnungsbescheid keine so genannte Rechtsmittelbelehrung, also einen Hinweis darauf, dass Sie sich mit einem Widerspruch wehren können, haben Sie sogar ein Jahr lang Zeit, Widerspruch einzulegen. Sie können aber auch einfach einen neuen Antrag stellen. Hierüber muss die Krankenkasse entscheiden, auch wenn sie die Versorgung bereits abgelehnt hat. 

Anwaltskosten werden Ihnen von der Gegenseite erstattet, wenn Sie den Prozess gewinnen. Haben Sie nur geringe Einkünfte, können Sie einen Antrag auf Prozesskostenbeihilfe stellen. Den Anwalt bezahlt dann in jedem Fall der Staat. Lassen Sie sich während des gesamten Widerspruchs- und Klageprozesses am Besten von einem auf diese Fragen spezialisierten Anwalt beraten.

Rechtlicher Ablauf einer Prothesenversorgung – Grafische Darstellung:
Rechtlicher_Ablauf

Fragen und Antworten rund um die Prothesenversorgung

Wer bezahlt was?

Die Krankenkasse kommt für die Kosten in Höhe des vertraglich vereinbarten Preises auf, der für die jeweilige Prothese festgelegt ist. Diese Verträge werden zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern ausgehandelt. Der Patient muss, sofern er älter als 18 Jahre ist, eine gesetzliche Zuzahlung (vergleichbar Rezeptgebühr) von mindestens 5 und höchstens 10 Euro leisten.

Patienten haben einen Rechtsanspruch auf eine Prothesenversorgung, die dem aktuellen Stand der Technik entspricht (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V). Sofern eine Versorgung dem Patienten erhebliche Gebrauchsvorteile im Vergleich zu herkömmlichen Prothesen bietet, dürfen Krankenkassen eine Kostenübernahme – auch wenn sie erheblich teurer sein sollte – aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht ablehnen.


Wer kommt für die Kosten von Wartung, Instandsetzung, Ersatz auf?

Kosten für die Wartung der Prothese, für notwendige Änderungen oder Neuanpassungen sowie für Reparaturen werden ebenfalls von der Krankenkasse übernommen.

Die Prothese sollte alle sechs Monate gewartet werden. Bitte beachten Sie auch die Hinweise Ihres Orthopädietechnikers und der Hersteller.


Kann das Sanitätshaus frei gewählt und gewechselt werden, wenn der Patient mit der Leistung nicht zufrieden ist?

Ja, denn Sie haben einen Anspruch auf Auswahl eines Sanitätshauses Ihrer Wahl (§ 9 SGB IX). Die Krankenkasse kann Ihnen nicht entgegenhalten, dass sie mit diesem Haus keinen Vertrag hat.


Übernimmt die Krankenkasse auch die Kosten für eine wasserfeste Gehhilfe?

Der Anspruch auf Versorgung mit einer Badeprothese ist mittlerweile auch vom Bundessozialgericht anerkannt. Dabei darf die Badeprothese dem Versorgungsstandard der Alltagsprothese entsprechen. Es darf insbesondere nicht auf die Benutzung von wasserfesten Überzügen, eines Duschhockers oder Unterarmgehstützen verwiesen werden.

Auch die Badeprothese muss vom Arzt verordnet werden. Die Anpassung erfolgt ebenfalls vom Orthopädietechniker.

Werden auch Sportprothesen von der Krankenkasse übernommen?

Sportprothesen sind Prothesen, die speziell für die Ausübung einer Sportart hergestellt und genutzt werden. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zu diesem Thema noch nicht vor. Nach der Rechtsprechung zur Badeprothese muss der amputierte Mensch aber für die unterschiedlichen Lebensbereiche mit unterschiedlichen Hilfsmitteln ausgestattet werden. Insoweit bestünde dann auch Anspruch auf eine Versorgung mit der Möglichkeit schnell zu laufen.


Wie lange hält eine Prothese?

Die Haltbarkeit einer Prothese hängt im Wesentlichen davon ab, wie aktiv der Amputierte ist und wie stark die Prothese genutzt wird. Eine allgemein verbindliche Aussage kann daher nicht gemacht werden. Die Hersteller haben für die unterschiedlichen Passteile jedoch Haltbarkeitsdaten festgelegt, die beachtet werden müssen. Diese beruhen auf der Erfahrung, wie lange welches Passteil aus welchem Material bei normaler Beanspruchung seinen Dienst sicher verrichten kann.

Die Prothese und ihre Passteile sollten in jedem Fall zwei Mal jährlich vom Orthopädietechniker auf ihre ordnungsgemäße Funktion hin kontrolliert werden.


Wie muss die Prothese gepflegt werden?

Schon allein aus hygienischen Gründen, aber auch um die Funktionstauglichkeit der Prothese möglichst lange zu erhalten, müssen die einzelnen Prothesenbestandteile regelmäßig gepflegt werden. Stumpfstrümpfe, die direkt auf der Haut liegen und z.B. durch Schweiß schnell verschmutzen, müssen täglich mit lauwarmem Wasser und milder Seife gewaschen werden. Das gilt auch für Silikonliner.  Die Industrie hält für diese speziell entwickelte Pflegeprodukte bereit. Weichwand- und Hartwandschäfte sollten ebenfalls täglich feucht ausgewischt und an der Luft getrocknet werden.


Können mit einer Prothese auch Schuhe mit unterschiedlich hohen Absätzen getragen werden?

Wird ein Prothesenfuß ohne verstellbaren Absatz gewählt, was nach wie vor die Regel ist, muss unbedingt beachtet werden, dass die Absatzhöhe bei allen Schuhen, die der Träger verwendet, gleich ist. Zu den Anproben beim Orthopädietechniker müssen daher bereits Schuhe mitgebracht werden, die in der Absatzhöhe denen entsprechen, die auch sonst getragen werden sollen. Denn: Der Orthopädietechniker passt die Prothese ganz individuell an Ihre Körpergröße, Ihr Gewicht und eben an die Schuhe an. Wird das nicht beachtet, kann es zu schwerwiegenden Problemen kommen, weil die Stellung der Prothese verändert wird.

Quelle: eurocom – European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Deviceswww.eurocom-info.de

Prothesenpassteile

Fuß

Der Fuß ist die Basis jeder Prothese. Er hat einen großen Einfluss auf das sichere Stehen und das flüssige Gehen. Eine vielfältige Auswahl an Prothesenfüßen bietet die Möglichkeit, weitgehend alle Anforderungen abzudecken. Die richtige Wahl des Fußes wird vom Mobilitätsgrad und den persönlichen Bedürfnissen des Patienten bestimmt. Der Orthopädietechniker achtet darauf, dass der Fuß zum Gesamtprothesensystem passt. Der Patient wird darüber aufgeklärt, dass Schuhe eine einheitliche Absatzhöhe und möglichst gleiches Gewicht haben sollten. Unterschiedliche Absatzhöhen können zum Sturz oder Bruch von Bauteilen führen, da sich die Statik verändert.

Es gibt drei verschiedene Grundtypen von Prothesenfüßen: den gelenklosen Fuß, den energiespeichernden Fuß (Karbonfuß) und den Gelenkfuß.

Gelenklose Füße sind leicht und elastisch aufgebaut und rollen sanft ab.

Energiespeichernde werden aus Karbon gefertigt. Diese Füße der neuen Generation sind leicht, stoßabsorbierend, energiespeichernd und energierückgebend – sowohl auf der Ebene als auch im Gelände. Karbonfüße unterstützen bei leichtem Abrollverhalten dynamisch wechselnde Ganggeschwindigkeiten. Sie sind auch für sportliche Betätigungen geeignet.

Gelenkfüße können sich besonders gut unterschiedlichen Untergründen anpassen. Die dreidimensionalen Knöchelbewegungen des „beweglichen Prothesenfußes“ nehmen die Bodenkräfte auf, reduzieren Druckpunkte im Schaft und entlasten Knie und Hüfte. Stoßbelastungen werden verteilt, der Stumpf und die gesamte Gelenkkette geschont. Symmetrisches Gehen sowie das Gehen von Neigungen, seitlichen Schrägen und auf unebenem Gelände wird sicherer, energiesparender und natürlicher. Das Laufen wird aktiv unterstützt. Hinsetzen und Aufstehen fallen leichter.

Autoadaptive Knöchelgelenkfüße passen sich durch einen hydraulisch gesteuerten Knöchel unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten permanent an und gewährleisten dadurch besonders hohe Sicherheit und Komfort. Sie ermöglichen physiologische Knöchelgelenksbewegungen – ähnlich  denen des natürlichen Fußes. Mit integrierter Stoßdämpfung ausgestattet, reduzieren sie die Stoßbelastung und Schwerkräfte im Schaft.

Seit geraumer Zeit sind Prothesenfüße auf dem Markt, deren  Absatzhöhe verstellt werden kann. Der Prothesenträger ist mit diesen Füßen nicht mehr an eine bestimmte Absatzhöhe gebunden, sondern kann diese variieren und unterschiedliche Schuhe tragen. Diese Füße bedürfen aber einer besonderen Unterweisung, da bei jeder Veränderung der sichere Aufbauwinkel (Statik) erreicht werden muss.

Der Einsatz eines individuell höhenverstellbaren  Gelenkadapters ermöglicht das Barfußgehen ebenso wie das Tragen von Schuhen mit unterschiedlichen Absatzhöhen. Der statische Prothesenaufbau bleibt dabei unverändert. Der Gelenkadapter kann sowohl sofort als auch nachträglich eingesetzt werden.

Elektronisch gesteuerte Prothesenfüße sind eine neue Entwicklung. Diese Prothesenfüße erkennen selbstständig die komplexen Fußbewegungen und bringen das Knöchelgelenk bei jedem Schritt in die richtige Position.

Eine aktuelle Entwicklung ist der  mikroprozessorgesteuerte hydraulische Knöchelgelenkfuß. Die Software ist in der Lage, individuelle Laufbedürfnisse zu „erlernen“; der Widerstand des Dämpfungsverhaltens wird elektronisch reguliert. Damit passt sich der „intelligente Fuß“ dynamisch an die jeweiligen Laufeigenschaften an und unterstützt den Geschwindigkeitswechsel und das Gehen auf verschiedenen Untergründen.

Knie

Hüftex-, Oberschenkel- und Knieexamputierte brauchen zusätzlich Kniegelenke, um sicher stehen und das Bein bzw. die Prothese beugen sowie den Unterschenkel danach wieder nach vorne schwingen zu können. Dabei müssen diese Kniegelenke in der Lage sein, dem Amputierten einen sicheren und möglichst natürlichen Gang zu ermöglichen.

Der natürliche Gang des Menschen unterteilt sich in zwei Phasen: die Schwungphase, in der das Bein nach vorne gebracht wird, und die Standphase, in der das Bein auf dem Boden steht, während das andere Bein nach vorne schwingt. Führt man sich dies vor Augen, wird deutlich, dass Prothesenkniegelenke sowohl für eine sichere Stand-, als auch für eine dynamische Schwungphase konzipiert sein müssen.

Das Beugen und Vorbringen des Unterschenkels kann durch drei verschiedene Funktionsweisen gesteuert werden: Es gibt mechanische, pneumatische und hydraulische Kniegelenke.

Zusätzlich unterteilen sich künstliche Kniegelenke in einachsige (monozentrische) und mehrachsige (polyzentrische) Gelenke. Einachsige Kniegelenke bewegen sich ausschließlich um eine Achse. Mehrachsige Kniegelenke verändern wie beim natürlichen Kniebeugen die Lage des Kniedrehpunktes und winkeln über eine gleitende Bewegung ab.

Bei  mechanischen Kniegelenken wird eine Feder zusammengepresst, wenn das Knie gebeugt wird. Diese entspannt sich dann wieder und unterstützt dadurch die Bewegung des Unterschenkels nach vorne. Die Dämpfung erfolgt ausschließlich durch Reibung und Anschlagpuffer. Mechanische Kniegelenke haben ein geringes Gewicht und sind daher für leichtes Gehen mit gleich bleibender Schrittgeschwindigkeit bei hohem Sicherheitsanspruch geeignet.

Pneumatische Kniegelenke haben einen Zylinder, in dem sowohl beim Abwinkeln als auch beim Strecken des Knies Luft komprimiert wird. Für Streckung und Beugung kann getrennt eingestellt werden, wie viel Luft zum Dämpfen der Kniebewegung oder als Energie rückgebendes, „federndes Gaspolster“ eingesetzt wird. Diese Kniegelenke sind komfortabel und ermöglichen ein weiches Durchschwingen bei unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten sowie ein sicheres Gehen. Bei hydraulischen Kniegelenken übernimmt Flüssigkeit (Öl) in einem Zylinder die Dämpfung der Bewegung. Diese Gelenke werden meist für sehr aktive Anwender eingesetzt, da sie über ein größeres Dämpfungspotenzial als pneumatische Gelenke verfügen. Hydraulische Kniegelenke sind nicht Energie rückgebend, aber für schnell wechselnde Gehgeschwindigkeiten geeignet. Je nach Gelenktyp können unterschiedlich hohe Beugewinkel erreicht werden, die Raum für mehr Bewegungsfreiheit schaffen, bis hin zur Wahrnehmung anspruchsvoller Sportarten wie zum Beispiel Segelfliegen, Motocross- oder Skifahren. Die Stand- und die Schwungphase wird bei elektronisch gesteuerten Kniegelenken über Mikroprozessoren gesteuert. Mit diesen Kniegelenken kann der Patient sich sicher in die Kniebeugung einsinken lassen. Es lassen sich auch schiefe Ebenen und Treppenabstiege besser bewältigen. Eine neue Entwicklung, das  aktive motorgesteuerte Kniegelenk, ersetzt die Funktion der kniegelenksteuernden Muskulatur und ermöglicht sogar alternierendes Treppaufgehen.Welches Kniegelenk für welchen Anwender geeignet ist, entscheidet der Orthopädietechniker nach den individuellen Ansprüchen des Amputierten mit Blick auf Amputationshöhe, Aktivitätsgrad und Sicherheitsbedürfnis.Neu auf dem Markt sind  Bewegungssysteme, die ein abgestimmtes Zusammenspiel von Kniegelenk und Fuß ermöglichen. Ein physiologisches Vorschieben des Unterschenkels und ein flächigeres Auftreten mit der Prothese machen das Gehen kontrollierter und sicherer. Das elektronische Hybridkniegelenk mit  integrierter Standphasensicherung und pneumatischer Schwungphasensteuerung errechnet Biegemomente und ermöglicht individuelle Bewegungsabläufe. Der autoadaptive Knöchelgelenkfuß mit hydraulisch gesteuertem Knöchel passt sich unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten an.Hüftgelenk

Hüftpassteile müssen ein sicheres Stehen, ein ermüdungsarmes Gehen und ein seitengleiches Sitzen ermöglichen. Es werden monozentrische und polyzentrische Gelenke mit Streckanschlag eingesetzt. Die Gelenke sind frei beweglich. Um sie gegen Einknicken zu sichern, sind sie vorne am Beckenkorb angebracht. Dort stören sie auch nicht beim Sitzen.

Badeprothese

Normale, alltagstaugliche Prothesen sind nicht wasserfest. Zum Duschen, Baden oder Schwimmen braucht der Amputierte daher eine wasserfeste Gehhilfe, eine so genannte Badeprothese.

Neu entwickelte  wassergeschützte Prothesensysteme, die hydraulische Kniegelenke und Karbonfederfüße kombinieren, haben eine hohe Alltagsfunktionalität und eignen sich für Unternehmungen im Nassbereich. Sie sind resistent gegen Schmutz und Feuchtigkeit.

Quelle:
eurocom – European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices
www.eurocom-info.de

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