Präsidententreffen Ende April in Berlin, Marshall J. Cohen von der Amputee Coalition und Dieter Jüptner vom Bundesverband für Menschen mit Arm- oder Beinamputation (BMAB) tagten über ihre zukünftige Zusammenarbeit. Während der fast zwei Tage dauernden Gespräche wurde schnell deutlich, dass trotz abweichender gesetzlicher Grundlagen die Probleme der amputierten Menschen in den USA mit denen in Deutschland fast identisch sind und das auf beiden Seiten des Ozeans noch viele Hürden genommen werden müssen.
Wedemark. Die Amputee Coalition ist die Interessenvertretung der Amputierten in den Vereinigten Staaten. Sie wurde 1986 von einer kleinen Gruppe von Selbsthilfegruppen-Leitern gegründet und hat sich seitdem zu einer schlagkräftigen Organisation mit mehr als 200 Selbsthilfegruppen und mehreren Tausend Mitgliedern weiter entwickelt. Der Gesamtetat beträgt nun etwa 3 Mio. $; hiervon werden etwa 1 Mio. $ aus öffentlichen Mitteln und der Rest aus Spenden, Sponsorenbeiträgen, Forschungszuschüssen und -Honoraren aufgebracht. Die Amputee Coalition ist verantwortlich für den Betrieb eines Informationszentrums (Limb Loss Information Center), welches Forschungsergebnisse und Informationen für Menschen mit Gliedmaßenamputationen oder -Missbildungen bereitstellt. Diese Sammlung ist die umfangreichste innerhalb Amerikas, möglicherweise sogar weltweit.
Heute sind wesentliche Standbeine der Amputee Coalition das "Peer Support Program" (Besuchsdienste zu Hause und im Krankenhaus) sowie die Camps für 10 bis 17-jährige Kinder und Jugendliche mit Gliedmaßenamputationen oder -Missbildungen. Regelmäßig werden auch Fortbildungsveranstaltungen für alle amputierten Menschen und ihre Familien angeboten. Hier geht es um die Verbesserung der körperlichen Fitness, um soziale Kontakte und die persönliche Weiterentwicklung.
Zum jährlich stattfindenden Kinder- und Jugendcamp werden etwa hundert Kinder und Jugendliche mit Gliedmaßendefekten eingeladen. Das Camp dauert fünf Tage; die Kosten einschließlich der Reisekosten mit durchschnittlich 2.000 $ je Teilnehmer werden von der Amputee Coalition übernommen. Zweck dieser Camps ist es, die Teilnehmer in ihren Fähigkeiten zu schulen und sie zu motivieren, ihre Behinderung anzuerkennen und positiv damit zu leben. 2010 führte die Amputee Coalition einen "Limb Loss Awareness Month" ein, der inzwischen in den ganzen USA gefeiert wird. In diesem Monat, dem April eines jeden Jahres, soll die Öffentlichkeit diejenigen Menschen erkennen können, die mit dem Verlust von Gliedmaßen leben müssen. Die Amputee Coalition will erreichen, dass dieser Monat weltweit Bedeutung erlangt. Der 27. April 2013 wurde als "Show Your Mettle Day" ausgerufen; an diesem Tag sollen alle Amputierten in den USA ihre Prothesen stolz offen in der Öffentlichkeit tragen. Wie auch in Deutschland ist in den weitaus meisten Fällen eine diabetische oder Gefäßerkrankung die Ursache einer Amputation. Dann folgen Krebserkrankungen und Unfälle. Allerdings fällt auf, dass die angenommene Anzahl von 2 Mio. Amputierten bei einer Bevölkerungsanzahl von 314 Mio. einem Anteil von 6,4 Amputierten je 1.000 Einwohner entspricht. In Deutschland geht man von 200.000 Amputierten bei einer Bevölkerung von 82 Mio. Menschen aus; dies entspricht 2,4 Amputierten je 1.000 Einwohner. Diese Angaben sind es sicherlich wert, näher analysiert zu werden, zumal die Daten bezüglich der Anzahl der Amputationen pro Jahr deutlich ähnlicher sind. In den USA geht man von 185.000 Amputationen pro Jahr aus (0,6 je 1.000 Einwohner und Jahr); in Deutschland ist der am häufigsten genannte Wert 40.000 Amputationen pro Jahr (0,5 Amputationen je 1.000 Einwohner und Jahr). Leider gibt es in den USA wie in Deutschland bisher keine verlässliche Statistik, so dass viele dieser Zahlen auf Schätzungen beruhen. Die Forderung des BMAB nach Aufbau eines bundesweiten Amputationsregisters wurde von Seiten der Amputee Coalition daher begrüßt und soll nun auch in den USA aufgestellt werden.
Die größten Probleme der amputierten Menschen in den USA sind wie in Deutschland die oftmals nicht ausreichende Erfahrung der betreuenden Ärzte, die Qualität der prothetischen Versorgung, die Finanzierung einer angemessenen prothetischen Versorgung und die Wiedereingliederung in den Beruf nach einer Amputation. Die Amputee Coalition will mit anderen Amputiertenorganisationen weltweit zusammen arbeiten, um so die Interessen der Menschen mit Amputation noch wirkungsvoller vertreten zu können. Marshall J. Cohen hat dem BMAB jedwede Unterstützung bei seiner Arbeit zugesagt und dazu aufgefordert, die Erfahrungen der Amputee Coalition aus mehr als 25-jähriger Tätigkeit zu nutzen. Als nächsten Schritt wird Dieter Jüptner die Vorstellungen der deutschen Amputierten auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen des O&P-World-Kongress der AOPA (American Orthotic & Prosthetic Association) im September 2013 in Orlando in Florida vertreten. Während dieses Kongresses sind auch Gespräche mit weiteren führenden Mitgliedern der Amputee Coalition und mit Vertretern anderer Amputiertenorganisationen vorgesehen. Die Zusammenarbeit mit der Amputee Coalition wird die Amputiertenbewegung in Deutschland einen großen Schritt vorwärts bringen.
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