Urteil Bundessozialgericht vom 11.08.2015 – Az: B 9 SB 2/14 R
Bei schwerbehinderten Menschen mit einer einseitigen Oberschenkelamputation werden die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „aG“ nur vermutet, wenn sie nicht prothetisch versorgt werden können. Sie müssen ständig (immer) außerstande sein, ein Kunstbein zu tragen (Weiterführung von BSG vom 17.12.1997 – 9 RVs 16/96 = SozR 3-3870 § 4 Nr 22). Andernfalls hat auch bei dieser Gruppe eine individuelle Gleichstellungsprüfung unter Einbeziehung sämtlicher Gesundheitsstörungen zu erfolgen.
„Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; die Betroffenen müssen vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil sie sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen können. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen.“
„“Dauernd außerstande“ sein, ein Kunstbein zu tragen, bedeutet in diesem Zusammenhang prothetisch nicht versorgbar zu sein (vgl BSG aaO). Es darf keine prothetische Versorgung möglich sein, der betroffene behinderte Mensch muss ständig bzw immer außerstande sein, ein Kunstbein zu tragen. Zu dieser Personengruppe gehört der Kläger nach den Feststellungen des LSG noch nicht; er ist prothetisch versorgt, kann grundsätzlich eine Prothese tragen und ist nicht auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen.“
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